Die Panik vor Chemie … Wer steckt dahinter und warum? Unter den Unterstützern sind neben vielen anderen die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, die Globalisierungsgegner von Attac, der Ökobauernverband Demeter, Slow Food, Greenpeace, die Partei ÖDP und einige mehr. Kurz: Es sind Antipathien gegen „Transatlantiker“ jeglicher Art.
Die Politikerin Renate Künast wirbt für Spenden für das „von der Zivilgesellschaft organisierte Gericht“. Manche der Monsanto-Ankläger sehen sich durch die Agrarindustrialisierung in ihrer Existenz bedroht, andere haben prinzipielle Abscheu gegen Chemikalien.
Es gibt Argumente. Über Monsanto – in St. Louis ansässig und von Bayer übernommen -, das Saatgut, Pflanzenmerkmale und Pflanzenschutzmittel herstellt und vertreibt, lässt sich einiges erzählen.
Dass in Südamerika praktizierte „Monsanto-Landwirtschaft“ schnell Resistenzen erzeugt, dass sie zum Artenschwund beiträgt, den Strukturwandel der Landwirtschaft beschleunigt und zur Landflucht beiträgt. Dass Verheißungen nicht wahr wurden: von gentechnisch veränderten Sorten, die höhere Erträge bringen und gegen Trockenheit resistent sind.
Dass die Agrarkonzerne an einem Geschäftsmodell festhalten, das nicht mehr lange taugt, weil die nächste biotechnologische Revolution im Gange ist. Dass die Produktivitätssteigerung keine Antwort auf Verteilungsfragen bietet.
Aber es lässt sich auch Positives berichten:
Genveränderte Pflanzen brauchen weniger chemische Pestizide; die Industrialisierung der Landwirtschaft hat den größten Produktivitätssprung der Geschichte gebracht; Milliarden werden satt, die sonst nicht satt geworden wären.
Was einige Feinde des Konzerns nun vor dem Tribunal verhandeln wollen, ließe sich gegen jeden Chemiekonzern konstruieren, etwa gegen BASF und Bayer, auch gegen Rohstoffkonzerne wie Shell. Letztlich ließe sich ein „Ökozid“ auch Milliarden Menschen vorwerfen: dass sie durch ihr Leben anderes Leben zerstören.
Die vielen essenden und reisenden Menschen verdrängen Wälder und Tierarten. Sieht man das Verhältnis von Mensch und Natur streng ökozentrisch, ist das Bild vom Ökozid nicht weit. Fatalistisch betrachtet, könnte es tatsächlich so kommen, dass der Mensch die Erde zerstört.
Gifte, etwa Kohlenstoffverbindungen aus dem Pflanzenschutz, Stickstoff vom Dünger haben negative Auswirkungen auf Ökosysteme. Doch die Wahrheit ist auch, dass längst ein Großteil der Menschen davon lebt.
Die Dosis macht das Gift! Die Semantik vom Ökozid erstickt jede Hoffnung auf technische Lösungen. Sie bringt nur platte Schuldzuweisungen.
Einige mögen solchen politischen Protest gegen die Agrarlobby rebellisch finden und im Kern berechtigt. Originell ist er nicht. Seiner Sprache wirkt wie die der Verschwörungstheoretiker. Die agitatorische Wortwahl, mit der hier schlechthin Böses verdammt werden soll, erinnert fern an das im Mittelalter verbreitete Stigma der Juden als Brunnenvergifter.
Der Feind ist dieses Mal die industrielle Landwirtschaft, aber auch: die Gier, die Profite, der Kapitalismus. Die Aktivisten schreiben „Mon$anto“ mit Dollarzeichen. Dieser symbolische Exorzismus nährt eine Hybris, die die Aktivisten daran glauben lässt, als „Zivilgesellschaft“ gerechter zu urteilen als die Justiz.
Die Umweltbewegung kehrt sprachlich in ihre Jugend in den 1980er Jahren zurück, als die Öko-Apokalypse nur eine Frage der Zeit war. Schon 1962 hatte das Buch „Der stumme Frühling“ von Rachel Carson suggeriert, der Mensch führe Krieg gegen die Natur.
Darin gründet die Vorstellung, Notwehr sei geboten. Die Initiatoren des Tribunals bedienen dieses Lebensgefühl. Sie sind nicht mehr die Jüngsten: zwischen 55 oder 65 Jahre alt, Gentechnikgegner, Wissenschaftler und Aktivisten. Für sie geht es um „die Verteidigung“ unseres Planeten.
Die Metaphorik ist erfolgreich: Ohne das Bild vom Weltvergifter Monsanto wäre die Kampagne der Grünen gegen das Pestizid Glyphosat kaum geglückt.
Dabei urteilte die Weltgesundheitsorganisation: kein Krebsrisiko.