Kunst und Kultur – und diejenigen, die sie schaffen und organisieren – sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zu deren Zusammenhalt, gerade in der aktuellen Herausforderung. Wir sind uns bewusst, dass die Corona-Pandemie die Kulturszene besonders belastet: Veranstaltungsstätten können nur bedingt öffnen oder müssen ganz geschlossen bleiben, Proben und Drehs werden abgesagt. Künstlerinnen und Künstlern brechen die Aufträge weg. Soloselbstständige, kleine Unternehmen und prekär Beschäftigte trifft es oft existenziell.
Museen sammeln Kunst. Ist die Kunst dann einmal im Museum, so bleibt sie dort für immer. Das, so beten einem die meisten Museumsleute vor, ist das, was Museen eben tun, es ist ihr Daseinszweck.
Andererseits müssen Museen auch überleben, und das fällt ihnen spätestens seit der Corona-Pandemie überall dort schwer, wo der Staat oder andere Träge die fehlenden Einnahmen nicht ausgleichen, vor allem in den USA. Die meisten amerikanischen Museen haben bereits Teile ihrer Belegschaften entlassen. Das „Brooklyn Museum of Art“ ging letzten Oktober weiter. Es verkaufte erstmals Kunst, um die finanziellen Lücken zu stopfen. Zwölf Werke, darunter Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, Gustave Courbet und Camille Corot, sollten dazumal bei Christie’s versteigert werden (nyt.com).
In Deutschland gab es in den letzten Jahren immer wieder große Debatten um Verkäufe aus öffentlichen Sammlungen (sueddeutsche.de), wie 2014, als die staatliche Spielbank Westspiel zwei Warhols für 151 Millionen Dollar versteigern ließ. Und auch deutsche Museen verkaufen Kunst aus ihren Beständen, aber „nur dann, wenn sie nicht mehr ins Sammlungskonzept passen, nicht um des Erlöses willen“ (Sylvia Willkomm, Deutscher Museumsbund).
Die amerikanischen Notverkäufe entbehren übrigens nicht einer bitteren Ironie. Seit Langem klagen die Museen, sie könnten angesichts des Kunstmarkt-Booms der letzten 20 Jahre immer schwerer Neues kaufen.
Nun, in der Krise, machen es die hohen Preise immer schwerer, nichts zu verkaufen.
Arbeiten, die die Naturkatastrophe selbst unverwechselbar zu einem Zeichen, zu einem Mythos des 21. Jahrhunderts umformen, fehlen momentan. Im Gegenteil: Viele Künstler*innen sagen ganz offen, ihnen falle zu Corona eigentlich nichts ein. Für einen Mythos fehlt der Corona-Krise wohl noch das große, signifikante Geheimnis.
Der oft bemühte Vergleich mit der Spanischen Grippe zeigt auch: Eine Katastrophe riesigen Ausmaßes, mit Auswirkungen auch in der Kunst wird nach einiger Zeit überlagert und verdrängt von anderen historischen Zäsuren, in jenem Fall dem Ende des Ersten Weltkrieges, dem Zusammenbruch des Kaiserreichs, Weltwirtschaftskrise usw. und die Kunst schließlich subsumiert unter dem Begriff der Moderne. Und so sind auch in der Corona-Krise etliche Themen angelegt, die schon vorher da waren und auch noch viel grundsätzlicher erscheinen:
Die Klimakrise, neuer Nationalismus, soziale Exklusion, der Einfluss von Verschwörungstheorien, generell die Phase des Posthumanismus, die später möglicherweise das Corona-Thema überlagern werden.