Heute gehören Begriffe wie „Korruption“ und „Russland“ zusammen. Entgegen einer
weitverbreiteten Annahme ist aber die Alltagskorruption keine unmittelbare Folge des
Zusammenbruchs der UdSSR. Sie ist vielmehr in der Historie tief verwurzelt. Bis ins
18. Jahrhundert erhielten russische Beamte überhaupt keinen Lohn. Sie sollten
deshalb für ihre Tätigkeiten Gebühren erheben und sich damit finanzieren. Im 19.
Jahrhundert waren die Löhne minimal. Sie wurden schon damals mit Verspätung
ausbezahlt. Einerseits mussten sich die Beamten Fremdgelder in die eigene Tasche
stecken, um ihre Familie ernähren zu können. Auf der anderen Seite litten russische
Untertanen unter der Ineffizienz des Staates (buergerundstaat.de). Die KP-Elite war
durch und durch korrupt, und dies schon zu Zeiten Stalins.
Kleptokratie ist eine Staat oder eine Herrschaftsform, in der die Regierung oder
andere Herrscher eine unbegrenzte oder starke Verfügungsgewalt über Besitztümer
und Wertgegenstände in ihrem Herrschaftsbereich haben. Meist geht damit die
Bereicherung der herrschenden Klasse auf Kosten der Beherrschten einher. Die
rechtsstaatliche Ordnung ist in einer Kleptokratie praktisch nicht vorhanden.
Der Begriff ist abgeleitet aus den griechischen Worten kléptein (stehlen)
und kratía (Staat, Herrschaft). Anders ausgedrückt: Herrschaft der Diebe!
Russland wurde nach dem Zusammenbruch seiner kommunistischen Staatsdiktatur
unter der Führung der Nomenklatura der KPdSU und seiner Militärs in eine
Kleptokratie mit staatsautoritärer Absicherung hinter einer demokratischen Fassade
umgebaut. „Wir haben ein absolut gehorsames Parlament, servile Gerichte und ein
Staatsfernsehen, das rund um die Uhr die Taten des Zaren preist“ (Victor Jerofejew
faz.de). Der Zar war und ist Wladimir Putin ...
Weder die Bundesrepublik noch Europa brauchen aber für ihre Zukunft als
strategischen Partner ein Russland, das die freiheitliche Gesellschaften des Westens
verachtet und mit Füßen tritt. Die Kleptokraten um Putin müssen spüren, dass sie in
der gesamten EU ein Gegenüber haben, mit dem sie nicht nach Belieben Schlitten
fahren können.
Kanzler Scholz meinte, der 24. Februar diesen Jahres markiere eine „Zeitenwende“.
In der Russlandforschung gibt es unterschiedliche Einschätzungen, aber es ist
erkennbar, dass die große Mehrheit der Wissenschaftler/-innen davon ausgeht, dass
die von Moskau gesuchte strategische Konfrontation mit dem Westen primär
innenpolitisch motiviert ist. Nach dem katastrophalen Scheitern der ambitionierten
Reformpolitik Boris Jelzins in den frühen 1990er-Jahren hat es eine Gegenbewegung
gegeben, die das Scheitern der Reform als Werk dunkler Kreise des Westens
hinstellte und die seit 1996 den Ton vorgibt.
Viele Beobachter bezeichnen das heutige Russland als eine Kleptokratie. Diese
Charakterisierung ist nicht unberechtigt, denn die Machtvertikale ermöglicht es vor
allem ihren höchsten Vertretern und deren Entourage, unglaubliche Reichtümer
anzuhäufen. Russland hat heute etwa ebenso viele Milliardäre wie die USA – die
immerhin ein Bruttoinlandsprodukt aufweisen, welches zehnmal so groß ist wie
dasjenige Russlands (kas.de).
Dadurch wird ein politischer Machtwechsel zu einem existenziellen Risiko, das auf
jeden Fall vermieden werden muss – zumeist durch Manipulationen des
Wahlprozesses, die Behinderung von Oppositionsparteien und gelegentlich auch
durch die Inhaftierung oder Tötung führender Personen aus der Opposition.