„Cancel Culture“ – Was ist das eigentlich?!
Cancel Culture taucht als Schlagwort in Debatten immer häufiger auf. Die einen beklagen sich darüber, die anderen behaupten Cancel Culture gebe es gar nicht.
„Cancel Culture“ bezeichnet den Versuch, ein vermeintliches Fehlverhalten, beleidigende oder diskriminierende Aussagen oder Handlungen – häufig von Prominenten – öffentlich zu ächten (ndr.de). Es wird zu einem generellen Boykott dieser Personen aufgerufen.
Es ist daher umso wichtiger, dass deutsche Intellektuelle und Entscheidungsträger nicht den gleichen Fehler wie ihre amerikanischen Kollegen begehen. Bei der Cancel-Culture geht es nämlich nie nur um den Einzelnen. Wenn sich das Prinzip, dass ein paar Aktivisten einen Künstler oder Schriftsteller für unakzeptabel erklären können, einmal etabliert, dann verengt sich der öffentliche Diskurs rapide.
„Cancel Culture“, das ist der Titel für eine politische Gefahr: das systematische Abdrängen, Diffamieren und Aussortieren missliebiger Positionen und Personen. Im Zweifelsfall zerstört es Karrieren, jedenfalls aber verengt es eine offene Debatte. Als bevorzugter Schauplatz des Cancelns gelten die Universitäten. Ein neugegründetes Netzwerk Wissenschaftsfreiheit wendet sich seit einiger Zeit (br.de, 16.02.2021) dagegen, „Forschung und Lehre weltanschaulich zu normieren“.
Cancel Culture quasi als neue Ideologie, Denkgesetz.
Selbst bei Religionen kann man beobachten, dass – wenn sie verpflichtend sind, etwa als Staatsreligion – sie zur Ideologie mutieren. Gehirnwäsche, Maulkorb … Das hat mit Religionsfreiheit nichts mehr zu tun. So auch bei Cancel Culture: Wer zieht die Fäden? Was sollen wir denken, wem sollen wir glauben? Mit Meinungsfreiheit hat dieses Bashing nichts mehr zu tun.
Es ist wieder allzu einfaches Schubladendenken, vielleicht auch Erziehung zur Denkfaulheit. Es muss ja schwarz sein, wenn es nicht weiß ist. Grau ist nicht denkbar, viel zu kompliziert … Unter dem Strich: der Niedergang der Debattenkultur!
Berichte über umgeworfene Statuen, mediale Anprangerungen in aller Öffentlichkeit und spontan organisierte Proteste erwecken offenbar bei vielen den Eindruck, es gäbe eine neue Form von linker Aggression in der Gesellschaft.
Richtig ist: In den letzten Monaten und Jahren werden viele überfällige Debatten in einer größeren Öffentlichkeit verhandelt (dw.com). Nur dass sie ihren Ursprung auf einer neuen Plattform, nämlich den sozialen Medien, haben – und damit auch eine viel größere, internationale Reichweite.
Mit dem politischen Modewort „Cancel Culture“ wird derzeit in Deutschland versucht, etwas zu einem aktuellen Phänomen hochzustilisieren, was in Wahrheit gar nicht neu ist. In ihren jeweiligen Echokammern ereifern sich immer wieder Feuilletonisten in der Presse über die emotionale Intensität bestimmter Proteste, anstatt in eine inhaltliche Diskussion einzusteigen oder beide Seiten zum Gespräch einzuladen.
Auf diese Weise werden eher Weltuntergangspropheten und Kulturpessimisten befeuert. Solche medialen Scheingefechte lenken von berechtigten Debatten über Inhalte ab.
Nota bene: Unfaire und lautstark aggressive Proteste gegen andersartige Meinungen gab es schon immer – von Links wie von Rechts.