Es gibt eine Empfehlung, die lautet, dass unverzüglich und ohne weitere Erforschung der Provenienzen sämtliche Objekte aus französischen Museen zurückgegeben werden sollten, die im Zuge kolonialer Eroberungen erbeutet wurden oder von französischen Kolonialbediensteten mitgenommen wurden.

Dies gilt auch für Stücke, die nach 1960 in die Sammlungen aufgenommen wurden, aber früher außer Landes gekommen waren. Musste bisher bei Restitutionsverfahren nachgewiesen werden, dass sich ein Exponat zu Unrecht in Museumsbesitz befindet, so ist die Beweispflicht nun umgekehrt. Künftig sollen die Kuratoren den legalen Erwerb nachweisen, wollen sie das Werk behalten.

Zwei Experten schlagen eine Gesetzesänderung vor, die „bilaterale Abkommen zwischen dem französischen Staat und jedem betroffenen afrikanischen Land“ (zeit.de) ermöglichen soll. Denn offiziell gelten die Besitztümer nach französischem Recht als „unveräußerlich“ und „unpfändbar“.

Macron will reinen Tisch machen. Nachdem er die Kolonialzeit bereits einmal en passant als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet hatte, versprach er 2017 in einer Uni-Aula in Ouagadougou (Burkina Faso) einen neuen Zugang zu dieser weitreichenden Frage. Um über eine Entscheidungsgrundlage zu verfügen, berief der Staatschef ein Expertenduo ein, von dem er wusste, dass es zur Sache gehen würde.

Der senegalesische Wirtschaftstheoretiker Felwine Sarr (46) ist mit dem Werk „Afrotopia“ (erscheint Anfang 2019) aufgefallen und der Sicht der vom Kolonialismus betroffenen Staaten zugetan. Die gleichaltrige Französin Bénédicte Savoy lehrt an der Technischen Universität Berlin Kunstgeschichte. 2017 war sie ist als Beirat des Humboldt-Forums mit Knalleffekt zurückgetreten. Dort gab es ebenfalls heftige Raubkunst-Diskussionen. Die Vorschläge der beiden Experten sind radikal, weil sie mit dem französischen – und in sich kolonialistischen – Prinzip der „Unveräußerlichkeit“ musealer Kunstobjekte aufräumen wollen. Das würde eine Gesetzesänderung erfordern.

Der Bericht (cicero.de) fordert zweierlei: Die Ausbeute von Kriegen und Kolonialexpeditionen sei ohne weiteres zurückzugeben. Das verstehe sich von selbst, meinen die beiden Autoren: Diese Kunstobjekte wiesen einen offensichtlichen „Mangel zu Zustimmung“ auf. Die übrigen Kunstgegenstände, die in der Kolonialzeit (1885 bis 1960) namentlich aus Zentral- und Westafrika nach Frankreich gekommen sind, soll Frankreich aufgrund bilateraler Abkommen an die afrikanischen Museen zurückerstatten. Eine Ausnahme bestünde dann, wenn die Bezieher den Nachweis erbringen können, dass sie das Objekt „aus freien Stücken“ – zum Beispiel als Geschenk für den französischen Präsidenten – erhalten haben.

„Eine Gesellschaft ist besser, wenn sie ihre Vergangenheit kennt“ (Savoy in nzz.ch). Die Restitution des afrikanischen Kulturerbes, von dem sich ihren Angaben zufolge 95 Prozent außerhalb des Kontinents befindet, würde daher in vielen Ländern zu einem größeren Selbstbewusstsein führen und „zu einem großen Respekt für die Kreativität der Vorfahren beitragen“. Dabei gehe es nicht darum, „die westlichen Museen zu leeren“, so Savoy, sondern „um eine vernünftige Neuverteilung eines Kulturerbes, das bisher nur in den Händen einiger weniger westlicher Länder war“.

Die Diskussion würde die Möglichkeit eröffnen, mit den jetzigen Nachfolgestaaten der Kolonien auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen und den oft noch „paternalistischen Blick“ auf die afrikanischen Staaten zu korrigieren. Die Kolonialgeschichte, über die durch Restitutions-Debatte noch mal neu diskutiert würde, „lässt sich nicht dadurch entsorgen, dass man die Objekte zurückgibt“ (Rebekka Habermas in deutschlandfunk.de) deutlich. Möglicherweise muss auch die Ausstellung im Berliner Humboldt Forum neu konzipiert werden. In dem geplanten neuen Kulturzentrum stammt ein Großteil der Objekte aus der Kolonialzeit.

Die negativen Reaktionen und das absehbare Zurückkrebsen des politisch geschwächten Präsidenten machen klar, dass die Rückgabe kolonialer Raubgüter in Frankreich noch nicht wirklich spruchreif ist. Solange Napoleons Raubzug durch die ägyptische Antike in französischen Schulbüchern nach wie vor als „Wissenschaftsexpedition“ ausgegeben wird, dürfte der neue Regierungsbericht faktisch wenig bewegen.

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