Muss die Political Correctness abgeschafft werden? Gibt es ohne Political Correctness weniger Rechtsextremismus? Fördert Political Correctness das Abdriften in die Radikalität als Reaktion auf Sprechtabus?

Winfried Kretschmann äußerte einmal, Political Correctness sei eine Art Gesetz, dessen Abschaffung oder Änderung man fordern könne. Auf dem Grünen-Parteitag sagte er:

„Wir dürfen es mit der Political Correctness nicht übertreiben!“

Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist überzeugt, die Political Correctness sei überzogen worden.

Betrachten wir Political Correctness einmal näher: „eine Chiffre für eine über Jahrzehnte dauernde Anstrengung, die Zivilisation und ihre Werte als Errungenschaft zu betrachten, an der nichtweiße Menschen genauso einen Anteil tragen wie weiße“ (Mely Kiyak in zeit.de). Amerikanische Studenten gruben diesen vergessenen Begriff der politischen Korrektheit aus und benutzten ihn in ironischer Weise. Sie wollten darauf aufmerksam machen, dass es doch nicht sein kann, dass auf amerikanischen Universitäten immer nur Bezug auf weiße Männer genommen wurde, aber nie auf Frauen, Schwarze und andere Minderheiten. Und tatsächlich stellte man fest, dass durch das Ignorieren von bedeutenden Schriften und Denkern aus anderen Teilen der Welt eine Gewichtung und Benachteiligung stattgefunden hatte. Political Correctness wollte anfangs vor allem die Reflexion über eine unverhältnismäßige Hierarchisierung von Minderheiten, fremden Völkern und ihren Kulturleistungen erreichen.

Halten Grundsätze der Demokratie wie das Wahlrecht und Rechtssicherheit für Minderheiten nicht nur auf dem Papier, sondern auch dem realen Leben stand? Menschenrechte speisen sich aus dem Reden über Benachteiligte. Sprache ist der Indikator für den Wert, den Minderheiten im öffentlichen Diskurs haben. Man kann sie mit Sprache bloßstellen und diffamieren, man kann sie auch schützen und integrieren. Meistens sind es die Benachteiligten selbst, die auf ihre Gleichberechtigung pochen. Political Correctness ist ihr Versuch, sich zu emanzipieren. Die Widerstände, mit denen sie zu kämpfen haben, zeigen die Notwendigkeit ihres Kampfes.

Political Correctness kann man nicht überziehen oder übertreiben. Es sei denn, man hat genug vom Denken und der Erfordernis, Gleichheit unter Menschen zu schaffen. Genug davon, Vielfalt als Gleichwertigkeit zu betrachten. Wer degradierende Begriffe für zum Beispiel Schwarze, Homosexuelle oder Muslime im politischen Diskurs für unverzichtbar hält, muss von vorn beginnen. Nicht diejenigen, die diesen Zivilisationssprung schon hinter sich gebracht haben, müssen sich den politisch Unkorrekten anpassen, sondern umgekehrt.

Es gibt niemanden Bestimmtes, der für Political Correctness zuständig ist. Es gibt keine Instanz, die Verstöße sanktionieren kann. Es handelt sich um einen Diskurs. Ein öffentliches Gespräch, das gleichzeitig die Ungleichheit illustriert. Die Mehrheit der Sprechenden gehört keiner gesellschaftlichen Minderheit an.

Wenn Politiker in Zeiten von Angriffen auf Minderheiten fordern, es müsse erlaubt sein, offen Probleme der Integration zu benennen, dann wird es düster: Wir haben in Deutschland viele Probleme, aber sicher keines damit, dass man sich nicht jederzeit rassistisch, widerwärtig und primitiv im öffentlichen Raum äußern dürfe. Die öffentlichen Talkshows wären ohne die permanente Infragestellung von Minderheiten und ihrer angeblich mangelnden Integrationsfähigkeit aufgeschmissen. So weit sind wir schon …

Mutig wäre es, wenn einer auf den Tisch hauen und sagen würde: Schluss mit dem ekelhaften, dummen und unaufgeklärten Geschwätz über die Fremden, die Ausländer, Schwulen, Muslime oder Flüchtlinge. Das würde Eindruck machen! Unserem Land fehlt der Mut zur Aufklärung, Anstand und Eleganz im Umgang mit Mitmenschen. Es ist nämlich eine Ehre, in Sprache und Handeln politisch, ökonomisch, sozial und einfach menschlich korrekt zu sein.

Political Correctness beginnt schon im Kindesalter. „Das sagt man nicht!“ oder „Darüber spricht man nicht!“. Sie ist auf die eine Weise eine Art Maulkorb. Achten wir darauf, dass sie uns nicht in die Unfähigkeit führt, Kritik zu äußern. Anderseits dürfen wir nicht dem Glauben verfallen, wenn man mit „Dreck“ auf andere wirft, hierdurch auch nur ein Problem lösen zu können. Das Stichwort ist „Soziale Kompetenz“! Demokratie lebt von der Macht des Wortes, geäußert in Respekt vor den Anderen; wer immer die auch sind …

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