Die Debatte über die Fremdfinanzierung von Hochschulen hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Auslöser ist die Geheimhaltung von Verträgen der Universität Mainz mit der Boehringer-Ingelheim-Stiftung. Einzelne Regelungen in den Vereinbarungen verstoßen gegen das Hochschulrecht oder sind mit der grundgesetzlich geschützten Forschungsfreiheit unvereinbar. Trotzdem hat das Verwaltungsgericht Mainz auf die Klage eines Journalisten entschieden, dass kein Anspruch auf Einsichtnahme in die Verträge besteht.
150 Millionen Euro sind viel Geld. Mit dieser Summe unterstützt die Boehringer-Ingelheim-Stiftung die Universität Mainz, davon gehen zwei Drittel über einen Zeitraum von zehn Jahren an das Institut für Molekulare Biologie. Stiftung und Universität versprechen sich davon internationale Spitzenforschung in den Lebenswissenschaften. Doch die Kooperationsverträge wurden von Anfang an nicht veröffentlicht. Weshalb? Die Vertragspartner rechtfertigen dies mit zwei Argumenten. Einmal heißt es, das Recht zur öffentlichen Einsichtnahme würde die durch das Grundgesetz geschützte Wissenschaftsfreiheit gefährden. Doch was riskiert diese Freiheit mehr, die Offenlegung oder gerade die Geheimhaltung der Vereinbarungen?
Zudem hieß es seitens der Boehringer-Ingelheim-Stiftung, dass die juristische Sprache Laien zu Fehldeutungen verleiten könnte. Die Ausführungen zu einem Punkt des Vertragswerks sind allerdings kaum misszuverstehen: „Presseerklärungen, Veröffentlichungen oder Mitteilungen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen, bedürfen der vorherigen Abstimmung zwischen den Parteien und vor Veröffentlichung der entsprechenden Zustimmung.“ Die Universität Mainz ist der Auffassung, mit „Veröffentlichungen“ seien nur Presseinformationen gemeint. Eine Fehldeutung aufgrund der Sprache von Juristen!?
Wie weit hat die Landesregierung Anteil an diesem Zustand? Denkt man an die Skandale um den Freizeitpark am Nürburgring oder die Renovierung des Schlosshotels in Bad Bergzabern – „gegen die Vorschrift“, wie selbst die SPD zugeben musste, ist vieles vorstellbar. Jüngst wurde der Flughafen Hahn an Investoren verkauft, die es gar nicht gab.
„Kooperationen mit Unternehmen haben fast alle deutschen Hochschulen, doch nur drei von ihnen legen die Verträge offen“ (MONITOR). Journalisten durften den Mainzer Vertrag im letzten Monat einsehen, weil sich die Boehringer-Ingelheim-Stiftung zu ein wenig Transparenz bewegen ließ. Dabei wurde auch die Klausel bekannt, nach der die Stiftung beim Abschluss von Berufungsvereinbarungen für neue Professoren zustimmen muss. „Die Einräumung einer Veto-Möglichkeit im Rahmen eines Berufungsverfahrens gegenüber einem Dritten durch eine Universität ist nach dem rheinland-pfälzischen Hochschulgesetz nicht zulässig“, erklärte das Wissenschaftsministerium Rheinland-Pfalz. Die Universität meint, ein solches Veto-Recht sei nicht beabsichtigt gewesen. Seine Aussage, „ich glaube, dass wir es an der Stelle nicht gesehen haben“, nährt weitere Zweifel an der Arbeitsweise des Justitiariats der Hochschule.
Kritiker befürchten jetzt, dass die wachsende Zahl von Stiftungsprofessoren durch Pharmaunternehmen an deutschen Hochschulen zur Vernachlässigung wichtiger Forschungsbereiche führt. Als Beispiele seien die Prophylaxe vor Krankheiten, Folgen von Übermedikamentierung und Naturheilverfahren genannt. Nicht zuletzt ist zu kritisieren, dass Stiftungsprofessuren meist nach fünf oder zehn Jahren vom Staat übernommen und alimentiert werden. Faktisch sucht sich der Stifter eine ihm genehme Person aus, die öffentliche Hand bezahlt das dann die längste Zeit. Man munkelt, dass mittlerweile die Hälfte aller Hochschulforschung in Deutschland Drittmittelforschung sei, der größte Teil davon industriebestimmt.
Das Verwaltungsgericht stellte schlussendlich fest, dass die Offenlegung der Verträge weder nach dem Transparenzgesetz von Rheinland-Pfalz noch nach dem Pressegesetz des Bundeslandes notwendig sei. Die Vereinbarungen gehörten zum geschützten Bereich von Forschung und Lehre. Der Gesetzgeber habe die Transparenzpflichten der Hochschulen gegenüber der Allgemeinheit auf bestimmte Mindestangaben beschränkt. Darunter fallen die Bekanntgabe der Namen der Drittmittelgeber und der Höhe der Drittmittel.
Können wir uns auf die Rechtmäßigkeit solcher Verträge verlassen?!
Eine öffentliche Kontrolle ist zwingend notwendig. Mag man auch im rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministerium davon ausgehen, dass an den „Kooperationsvereinbarungen rechtlich nichts zu beanstanden“ sei.