Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat am Mittwoch mehrere Eilanträge gegen die nächtliche Ausgangssperre, wie sie nun in der „Bundes-Notbremse“ im § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Infektionsschutzgesetz vorgesehen ist, abgelehnt. (Beschluss vom 5. Mai 2021, Az. 1 BvR 781/21 u.a.).
In seiner Mitteilung betonte das BVerfG, dass damit nicht entschieden sei, dass die Ausgangsbeschränkung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine solche Entscheidung könne das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren nicht treffen. Diese Prüfung bleibe den Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die als Teil der Corona-Notbremse eingeführten nächtlichen Ausgangsbeschränkungen bleiben damit in Kraft. Der Erste Senat begründete seine Entscheidung damit, dass die Folgen schwerwiegender seien, wenn jetzt ein Stopp erfolge, die Ausgangssperre später aber für verfassungsgemäß erklärt würde. Zudem sei die Geltungsdauer der angegriffenen Regelung nach derzeitiger Rechtslage zeitlich relativ eng begrenzt. Die Verfassungsbeschwerden bleiben aber weiter bestehen.
Der Gesetzgeber betrachte die Ausgangsbeschränkung als Mittel, um bisher in den Abendstunden stattfindende private Zusammenkünfte auch im privaten Raum zu begrenzen. „Sie dient damit einem grundsätzlich legitimen Zweck“, heißt es in dem Beschluss des Gerichts (zeit.de). Gleichwohl stellten die Richter fest, dass unter Fachleuten umstritten sei, ob die nächtliche Ausgangssperre geeignet ist, ihr Ziel zu erreichen. In der Gesamtbetrachtung würden nach Einschätzung der Richter die Nachteile für einen wirksamen Infektionsschutz überwiegen, würde die Regelung ausgesetzt.
Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob die Maßnahme am Ende einer sorgfältigen Prüfung im Hauptsacheverfahren nicht doch noch für verfassungswidrig erklärt wird. Bis dahin dürfte sie aber längst Geschichte sein; die Inzidenzen sinken – so bleibt jedenfalls weiterhin zu hoffen –, und die Notbremse läuft ohnehin Ende Juni aus.
Das Verbot, nach 22 Uhr die Wohnung zu verlassen, sei keine „verfassungsrechtliche Petitesse“ (sueddeutsche.de). Die nächtliche Ausgangsbeschränkung greife tief in die Lebensverhältnisse ein. Die Folgen der Ausgangsbeschränkung wirkten sich auf nahezu sämtliche Bereiche privater, familiärer und sozialer Kontakte ebenso wie auf die zeitliche Gestaltung der Arbeitszeiten aus, so die Begründung der Entscheidung. Hinzu kommt: Nach Einschätzung der Richter könnte hier auch, was den Umgang mit Geimpften und Genesenen angeht, eine „besondere verfassungsrechtliche Herausforderung“ lauern.
Der Bundestag hatte vor zwei Wochen erst die „Bundesnotbremse“ beschlossen. Sie ist seit dem 23. April in Kraft und regelt erstmals bundeseinheitlich, dass in Städten und Landkreisen ab einem Inzidenzwert von 100 zahlreiche Kontaktbeschränkungen gelten. Mit deutschlandweit einheitlichen Regelungen will die Politik einen Flickenteppich in den Bundesländern verhindern und die Ausbreitung des Coronavirus besser in den Griff kriegen.
Besonders umstritten war die Ausgangssperre zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr. Menschen dürfen sich in dieser Zeit nur aus wichtigem Grund in der Öffentlichkeit bewegen, etwa weil sie zur Arbeit gehen oder von ihr kommen oder den Hund ausführen müssen. Sport bleibt Einzelpersonen jedoch bis 24:00 Uhr erlaubt.