Seit wenigen Tagen wird die Theater- und Filmhochschule in Budapest/Ungarn von einem Kuratorium geleitet, das von der ungarischen Regierung um Viktor Orban eingesetzt wurde. Damit soll der Einfluss auf die Kulturszene ausgeweitet werden – die alte Führung der Hochschule wurde entmachtet. Rund 250 Studenten haben die Hochschule deswegen inzwischen besetzt.
Ihr Protest richtet sich gegen die Orban-Regierung, die der Schule die Autonomie nehmen will. In den ungarischen Medien wird der Konflikt ignoriert.
In Ungarns Hauptstadt ist die Führung der Universität daher aus Protest gegen die nationalkonservative Regierung Orban geschlossen zurückgetreten.
Hintergrund ist ein Beschluss, demzufolge die Hochschule für Theater und Filmkunst ihre Autonomie verliert. Fast alle Befugnisse des Rektorats, des Senats und der Dekanate ging am Dienstag auf ein Kuratorium über, dessen Mitglieder von der rechtsnationalen Regierung bestellt wurden. Der Vorsitzende ist ein Vertrauter (deutschlandfunk.de) von Ministerpräsident Orban.
Die Regierung begründet die Neuregelung damit, die Einrichtung modernisieren und weiterentwickeln zu wollen. Kritiker halten die Maßnahme jedoch für einen weiteren Versuch Orbans, eine völkisch-klerikale Staatskultur zu etablieren. Die Universität für Theater- und Filmkunst gilt als wichtigste Ausbildungsstätte für die Branche in Ungarn.
Treibender Motor der Beseitigung der Universitätsautonomie ist der Präsident des Kuratoriums, Attila Vidnyanszky. Er ist als Vertrauter Orbans zugleich auch Intendant des Nationaltheaters. Ihm schwebt die Schaffung einer neuen nationalen Kunst vor. Die Theateruniversität wurde aus seiner Sicht bislang von linken Kräften dominiert, die diesem Vorhaben im Wege stehen würden. Vidnyanszky glaubt außerdem, dass das deutsche Theater einen „schädlichen Einfluss“ (forschung-und-lehre.de) auf die ungarische Theaterkultur ausüben würde.
Bereits vor zwei Monaten (ungarnheute.hu, 04.07.2020) protestierten mehr als 200 Kulturschaffende, unter ihnen die Schriftsteller Péter Nádas und György Dragomán sowie die bedeutendsten Regisseure und Schauspieler des Landes, in einer Petition gegen die Aufhebung der Universitätsautonomie. Als Reaktion darauf schrieben 74 regierungsnahe Künstler und Theaterregisseure einen gemeinsamen Brief, in dem sie ihre Unterstützung offenbaren. Der offene Brief wurde auf der regierungsfreundlichen Website Origo veröffentlicht.
Das ganze Szenario erinnert an den Hinauswurf von Szabolcs Dull, Chefredakteur von Index, Ungarns bis dahin größtem Nachrichtenportal, im Juli. Daraufhin hatte die gesamte 90-köpfige Redaktion das Unternehmen verlassen, was auch international für großes Aufsehen sorgte. Tausende Menschen hatten an einer Solidaritätsdemonstration für Index teilgenommen.
Kritiker werfen der rechtsnationalen Regierung Orbán seit Jahren wachsenden Druck auf die kritische Presse und das systematische „Umpolen“ von Medienunternehmen auf Regierungslinie vor. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück und spricht von den „Entscheidungen privater Unternehmer“ und „Veränderungen des Marktes“.
Nun, in der Kultur geht es jetzt auch angeblich um neue „Modelle“ für die Universität.
Man kann es schönreden. Ein rechtsradikaler Staat muss mit der Gehirnwäsche früh anfangen: In den Bildungsinstituten!