Heute zum Muttertag dürfen wir allen Müttern gratulieren. Wir wollen uns aber mit einem anderen Thema beschäftigen: dem 8. Mai!

Der Tag, an dem der Krieg verloren war oder doch letztlich der Tag der Befreiung? Seit den 1980er Jahren gilt die zweite Lesart, und das ist auch gut und richtig so.

Die Kanzlerin hat in diesen Wochen auch schon betont, mit Corona lebten wir in der schlimmsten Krise seit 1945.

Als Richard von Weizsäcker in seiner Amtszeit als Bundespräsident am 8. Mai 1985 vor Bundestag und Bundesrat zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa sprach, war man sich schnell einig: Weizsäcker hatte die Erinnerung an diesen Tag, diese Zäsur, auf ein neues Niveau (tagesspiegel.de) gehoben.

Es ist nicht trivial festzustellen, dass der 8. Mai 1945 eine historische Zäsur geblieben ist. Denn manches, was den Zeitgenossen zunächst als ein tiefer Einschnitt erscheint, relativiert sich im weiteren Fortgang der Geschichte. Nicht selten arbeitet die Geschichtswissenschaft später Kontinuitäten heraus, die über dramatische Ereignisse, über einen harten Bruch hinweg ältere Grundmuster fortsetzen.

Unter anderem in Frankreich, Tschechien und der Slowakei ist der Tag ein offizieller Feiertag. Der Umgang mit dem historischem Datum in Deutschland gestaltet sich bis heute schwierig. In der rechten Szene wird der Tag häufig für Aufmärsche genutzt.

In der Bundesrepublik wurde daraus bis dato kein Feiertag, obwohl auch bei uns der Tag von symbolischer Bedeutung ist. So stimmten am 8. Mai 1949 Vertreter unterschiedlicher Parteien im parlamentarischen Rat für das Grundgesetz als Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. 

Befreiung Ein seltsames Wort, wenn man bedenkt, dass es die Deutschen waren, die den Krieg angezettelt, die Nachbarn überfallen und unter anderem sechs Millionen Juden ermordet haben. Normalerweise sind es die Opfer, die befreit werden, nicht die Täter (SPON).

Über 75 Jahre ist dieser Tag jetzt schon her. Ja, Tag der Befreiung passt. Wie hat Bundespräsident von Weizsäcker am 40. Jahrestag 1985 in seiner Rede gesagt: „Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Das klingt nicht nach Niederlage, nein, es war ein Ende mit der Chance, etwas Großes daraus zu machen. Wenige Deutsche begriffen 1945, dass der 8. Mai kein Tag der nationalen Schmach und Schande war, nicht die „dunkelste Stunde“ der deutschen Geschichte, sondern die Chance zu einem Neubeginn unter Berufung auf die geschichtlichen Traditionen. Und die Bundesrepublikaner/-innen und auch Europa haben hier schon einiges geleistet.

Im Zentrum des Verhaltens an diesem 8. Mai stehen wir selbst (William Born, Stellungnahmen zum 8. Mai, blaetter.de, 1985 S. 310). Wir in vorderer Linie setzen Daten für die Zukunft. Was also sollte uns am 8. Mai bewegen? Er bliebe ein nichtssagendes Datum, wenn wir ihn nicht in den geschichtlichen Ablauf stellten. Warum ist er über Europa gekommen? Welche Schuld tragen die Älteren, die den Krieg zugelassen haben? Welche Lehren haben wir aus der Vergangenheit zu ziehen? Diese letzte Frage ist die entscheidende. Der 8. Mai ist für uns also vor allem ein Tag der Besinnung.

Es ist tragisch und eine Frechheit des Schicksals, dass das Jubiläum in diesem Jahr von der Coronavirus-Pandemie überschattet wird. Dass in unserer schnelllebigen Welt aus dem Blick zu geraten droht, was sich vor mehr als sieben Jahrzehnten zugetragen hat. Wer aber die Erinnerung an die deutsche Todsünde des Nationalsozialismus verdrängt, läuft Gefahr, die historischen Fehler zu wiederholen.

Der 8. Mai als Feiertag wäre ein wirksames Instrument, dem entgegenzuwirken.

Ein 8. Mai als Feiertag dürfte allerdings keinesfalls dazu dienen, die Mehrheit der Deutschen von damals pauschal freizusprechen.

Schließlich war sie es, diese Mehrheit, die nationalsozialistische Verbrechen ermöglichte und beging.

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