Die Stimme der Betrachter ist in den letzten Jahrzehnten überall stärker geworden. Mittlerweile sind es alle gewohnt, sich den eigenen Kulturgebrauch jederzeit nach eigenen Vorlieben zusammenzustellen. Dass die vielen Stimmen sich äußern und wahrgenommen werden, hat viel mit sozialen Medien und Online-Plattformen zu tun. Wie nie zuvor wird kommentiert, bebildert, gelikt und geteilt.

Neue Medien verändern nicht nur die Aufgabenstellung für Museen, sie bilden auch einen Teil der erforderlichen neuen Lösungen. So hat sich außerhalb der institutionalisierten Bildung eine weitgehend eigenständige Medienkultur entwickelt, die sich nicht mehr in die traditionellen Kategorien von Produzenten und Konsumenten einordnen lässt. Die dadurch zum Ausdruck kommende Partizipation bietet die Möglichkeit, den Besucher und Betrachter nunmehr zum Gestalter und User werden zu lassen – es gilt dies als Chance für die Museen zu erkennen.

Die Kunst ist ein Medium der Illusion: So gaukelt die Malerei dem Betrachter auf zweidimensionaler Fläche eine dreidimensionale Realität vor.

In der Kunst ist die neue Souveränität der Betrachter noch nicht angekommen. Sie lebt weiter in ihrer alten Welt, nach wie vor entscheiden allein Kuratoren, was in den Ausstellungen gezeigt wird. Wenn es hoch kommt, zählt man die Besucher. Ihre Ansichten interessieren nicht.

Hinzu kommt, dass die meisten Ausstellungen heute auf die Unterstützung von Galerien und von Sammlern angewiesen sind, sodass öffentliche Institutionen und Großevents wie Biennalen vieles von dem zeigen, was der Geldelite gefällt und von dieser gekauft wird. Manchmal kann es einem vorkommen, als seien die Museen zu einer Dauerwerbesendung für den Kult der großen Preise verkommen.

Es gibt einen Aufruf an Menschen, die gerne Kunst anschauen und gemeinsam entscheiden wollen, was ausgestellt wird. Sucht Gleichgesinnte, und entscheidet mit, was ihr für sehenswert haltet! Die Demokratie der Kunst muss nicht auf eine Diktatur der Mehrheit hinauslaufen. Wir können viele verschiedene Kunstformen von vielen verschiedenen Betrachtern auswählen lassen. Nur so wird Kunst wieder zu etwas, das nicht dem Markt dient, sondern unsere eigenen Interessen abbildet und wiedergibt.

Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Eines ihrer Merkmale ist das Mehrheitsprinzip. Kunst ist das Ergebnis eines kreativen Prozesses, gelegentlich auch der Prozess selbst, Kunst ist Gestaltung. Vertragen sich Demokratie und Kunst eigentlich? Bedingen sie sich? Oder braucht Kunst statt der demokratischen Abstimmung nicht vielmehr den Einen, der im Zweifel entscheidet, wie es gemacht wird?!

Kunst braucht die Auseinandersetzung. Es gibt keinen Zwang, sich mit Kunst zu beschäftigen. Die Sprache Kleists, Hölderlins, die Bilder Picassos, Jazzmusik – sie erschließen sich nicht sofort. Aber es gibt in der Kunst seit Jahrtausenden Werke, die die Menschen als große Bereicherung erleben. Oft sogar wegen der Mühe, die man sich machen muss, sie zu verstehen.

Was ist das, demokratische Kunstausübung?Kultur für alle“ sollte doch auch Demokratisierung der Kunst bedeuten (zeit.de, 19.10.1979), die Demokratisierung einer gesellschaftlichen Leistung. Mitbestimmung ist dagegen die Demokratisierung von Entscheidungen. Man muss die Frage, ob die Demokratisierung von Entscheidungen in Museen ohne Weiteres zu einer Demokratisierung seiner Leistung, also zur Emanzipation des Publikums führt, skeptisch beurteilen. Doch selbst wenn dies noch zu erreichen wäre, was soll danndemokratische Kunstausübung“ sein? Soll das Modell der Demokratisierung der Leistung gelten oder das für die Entscheidung? Kunstausübung ist ein höchst individueller, kreativer Akt. Er entzieht sich einer „demokratischen Legitimation“. Eine Demokratisierung, die dies versuchte, würde Freiheit vernichten dort, wo sie am wichtigsten ist. Demokratie aber rechtfertigt sich nicht vor allem aus der Gleichheit (die ist auch anders zu erreichen), sondern aus der Freiheit, und die ist immer die Freiheit eines Einzelnen in der Kunst, Gerade in der Demokratie muss dem Einzelnen ein großer Raum eigener, schöpferischer unkontrollierter Gestaltung gegeben werden, dies ist ihre Rechtfertigung, wo sonst wäre das möglich. Das ist „demokratische Kunstausübung“, nicht die vermeintliche Legitimation eines Künstlers vor einem Mehrheitswillen.

Ja, Kunst ist für alle da, entzieht sich aber demokratischen Zwängen.

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