Seit Jahrtausenden zerbrechen sich Philosophen den Kopf: Was ist der Sinn des Lebens?

Was ist der Sinn meiner Existenz? Wem immer man diese Frage stellt, entweder bekommt man jedes Mal eine andere Antwort oder erntet nur Schulterzucken. Wenn es nach Tausenden von Jahren keinen Menschen gab, der eine klare Antwort geben konnte, könnte dann vielleicht an der Frage etwas faul sein?

Mal so: Wer eine Meinung hat, hat erkannt, was hinter den Dingen steckt. Und das Gefühl, das benennen zu können, nimmt auch schlimmen Ereignissen fürs Erste das Ungeheuerliche. Wozu man eine Meinung haben kann, das lässt sich erklären. Es ist geordnet, irgendwie.

Jedenfalls nicht reiner Zufall. Das tut uns gut. Wenn wir eines nicht aushalten, dann die reine Kontingenz.

Es scheint, als ob wir nicht leben könnten ohne den Verdacht, alles, was sich ereignet, lasse sich schlüssig erklären – ein Verdacht, der sich zu der quälenden Gewissheit steigert, der Welt liege ein Sinn zugrunde (Thomas Ribi in nzz.ch)

Gehen wir die Frage einmal durch, betreiben wir also Satzanalyse. Zunächst die Begrifflichkeiten.

Hier gibt es zwei abstrakte Substantive: Sinn und Leben bzw. Existenz. Letzteres ist relativ klar, unser Leben ist unser Da sein. Aber was versteht man unter dem Sinn von etwas? Es ist wohl passender von Der Sinnhaftigkeit des Lebens zu sprechen. Sinnhaftigkeit im Sinne von:

Worauf ist mein Leben ausgerichtet? Was ist ein sinnvolles Leben?

Was soll ich tun, wie soll ich mich verhalten?

Die Wissenschaften, von denen wir Antworten hierauf am ehesten erwarten, sind auch nicht allzu überzeugend. Denn von allen Vorurteilen, die man der Wissenschaft gegenüber haben kann, ist dies wahrscheinlich das folgenschwerste: dass sie die Welt einfacher mache. Das Gegenteil ist richtig. Wissenschaft erklärt Phänomene, aber sie macht die Welt komplizierter. Darin besteht im Grunde sogar ihre Aufgabe. Weil sie Fragen stellt, auf die sie noch keine Antworten hat, und sich mit jeder Antwort neue Fragen ergeben.

Wir suchen etwas, was uns in den Irrnissen und Wirrnissen des Lebens, durch die Widerstände, denen wir begegnen, hindurchträgt. Also etwas, wie Luther sagen würde, was sich in Leben und Sterben bewährt“ Gert Scobel, Philosoph)

Vielleicht ist es der Wunsch nach einer beständigen und ewigen Wahrheit. Nach so einer Art allgemeingültiger Betriebsanleitung für das Leben. Dass wir am Ende sagen können: So, alles erfüllt. Gut gemacht, mehr ging nicht“.

Irgendwie können wir nicht anders als nach dem Sinn suchen, wir sind so. Wir sind so geschaffen. Alles setzt einen Sinn (telos) voraus.

Ohne die Kategorie Sinn können wir nicht handeln (Andreas Beyer, Biochemiker).

Dass Menschen als Mann und Frau erschaffen wurden, wie es in der Bibel steht, beschäftigt uns seither so intensiv wie kaum etwas anderes. Egal, ob wir einen Gott oder die Evolution dafür verantwortlich machen

Die Erde ganz ohne Sex – das wäre eine Welt ohne die Epen Homers und die Komödien Shakespeares, ohne Mozarts Opern und Silly love songs, ohne die Bildhauerei des Perikles und des Michelangelo, ohne Aktmalerei und Hollywood, ohne picklige Teenager, Beziehungsratgeber, Rosenkriege und Illustrierte (telepolis, heise.de)

Dass das Gehirn von Frauen kleiner ist als das von Männern und weniger Neuronen enthält, ist ein unerschöpflicher Quell von Häme und Trost. Der bescheidene quantitative Unterschied taugt aber eher nicht als großartige qualitative Verschiedenheit.

Gestützt auf Verhaltensuntersuchungen behauptete der Sexologe John W. Money (1921-2006), bis zum Alter von 18 Monaten lasse sich beinahe beliebig ein bestimmtes Geschlecht anerziehen. Das gilt heute als überholt, dennoch war es schon in den 1950ern Stand der Forschung, dass neben sechs biologischen auch ein sozialer Faktor das Geschlecht prägt. Die heutige Genetik geht ebenfalls von einer Wechselwirkung von Genen und Umwelt aus. Manche lösen gar den binären Geschlechtsbegriff durch ein Spektrum der Geschlechter auf.

Also noch weiter!

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.10. 2017 Az. 1 BvR 2019/16:

Mit einem Streich wurden nicht nur vorangegangene Urteile des Amtsgerichts Hannover (13.10.2014, Az. 85 III 105/ 14), des Oberlandesgerichts Celle (21.1.2015, Az. 17 W 28/ 14) und des Bundesgerichtshofs (22.6.2016, Az. XII ZB 52/15) aufgehoben, sondern auch entsprechende gesetzliche Regelungen für verfassungswidrig erklärt. Gerichte und Verwaltungsbehörden (vor allem Standesämter) dürfen die Paragraphen nicht mehr anwenden, wenn sich eine Person dauerhaft weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zuordnen will; alle Verfahren werden bis zu einer Neuregelung angehalten, für die der Gesetzgeber seinerzeit bis zum 31.12.2018 Zeit bekommen hatte. Wir erinnern uns zum Beispiel an die Stellenausschreibung im Discounter: Man sucht „m/w/x“ ….

Warum ist das bei uns so in Europa, dass unser Leben abhängt von meinen biologischen Geschlechtsmerkmalen, die ich von Beginn meiner Existenz mitbekomme? Ist das überall so? Also zwangsläufig?

Nein! Es gibt Kulturen, die zwar die reproduktive Differenz der Menschen kennen und thematisieren, daraus aber keine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen ableiten. Am Beispiel der Yoruba in Nigeria (Oyèrónkẹ Oyèwùmí, Soziologin, in The Invention of Women) zeigt sich Folgendes: Dort ist aus Tradition nicht das Geschlecht, sondern das Alter das wichtigste Kriterium für die soziale Einordnung. Für Frau oder Mann in unserem Sinn gibt es keine Wörter. Zwar existiert ein Begriff für Menschen mit Gebärmutter in der Lebensphase des Kindergebärens (obinrin), aber das bezeichnet nicht das Wesen dieser Personen, sondern lediglich eine bestimmte Funktion, die auch nur in diesem Zusammenhang von Interesse ist. Die Menschen dort sind auf eine Weise Frau, die Information ist zutreffend, aber sie prägt nicht das gesamte Leben. Sie ist nur in einem konkreten Beziehungskontext bzw. bestimmtem Zeitraum relevant.

Andere Länder, andere Sitten! Oder auch: O tempora, o mores (Cicero)!

Denkschubladen müssen ausgemistet werden.

Wir haben daran wohl noch ein Weilchen zu knabbern …